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Festivalausstellung

AI ANCESTORS — MAKING KIN IN THE FUTURE

Wer sind „wir“, wo beginnt und endet Gemeinschaft, wo Verwandtschaft? Für wen empfinden Menschen Interesse, Verantwortung, Liebe, Empathie? Was, wenn Menschen in einen offenen Dialog treten würden – nicht allein miteinander, sondern ebenso mit anderen Tieren, mit Pflanzen, Pilzen und anorganischen Lebensformen aus Gegenwart und Vergangenheit?

Könnten „wir“ dann jenseits von Artengrenzen und unserem linearen Zeitverständnis miteinander kommunizieren, träumen, koexistieren? Und könnten künstliche Intelligenzen ein Lernen voneinander ermöglichen, könnten sie helfen, nicht-humane Intelligenzen besser zu respektieren, gar zu verstehen? Die Ausstellung AI ANCESTORS erkundet diese Fragen, erforscht Seinsweisen artenübergreifender Allianz. Die präsentierten Stimmen beziehen sich auf dekoloniale, intersektionale, trans- und ökofeministische Ansätze, auf nicht-westliche und indigene Lebensweisen und Wissenssysteme. Jenseits von KI-Verharmlosung oder -Glorifizierung, von Utopie und Dystopie lädt AI ANCESTORS die BesucherInnen ein, schon heute Teil dieser Zukünfte zu sein, diese für sich sinnlich zu erspüren.

Kuration: Rike Scheffler

Ko-Kuration: Mathias Zeiske

Projektleitung: Birgit Voigt

K ALLADO-MCDOWELL

K ALLADO-MCDOWELL

The logocentric wound bleeds into a shared horizon of meaning // Die logozentrische Wunde blutet in einen gemeinsamen Sinnhorizont (2022)

Foyer vorne

Zur Eröffnung der Ausstellung am 14.6.22 initiieren K Allado-McDowell via live-Schaltung aus L.A. ein kollektives KI-Schreibritual. Begleitet von den Sounds des Musikers Debashis Sinha und den Live-Visuals des Künstler Lucas Gutierrez, sendet das Berliner Publikum per Gruppenchat „poetische Provokationen“ (Stichworte, Metaphern, Erinnerungen, Verse, Träume) an Allado-McDowell. Diese Provokationen komponieren Allado-McDowell zu „Prompts“ – Anweisungen für die Sprach-KI GPT-3. Gemäß der für Sprach-KIs typischen Arbeitsweise der Autovervollständigung, schlagen Allado-McDowell einen quasi-divinatorischen Ansatz für das kollektive Schreibritual vor, bei dem die Sprach-KI als ein riesiges Tarot-Deck betrachtet wird. Das Ergebnis ist ein gemeinsam verfasstes, kybernetisches Gedicht, welches hier in der Ausstellung präsentiert wird. Zudem ist das allererste, titelgebende „Prompt“ – The logocentric wound bleeds into a shared horizon of meaning – ausgestellt. Durch die Öffnung des KI-Co-Writing-Prozesses für ein temporäres, über den Globus verteiltes Kollektiv, entsteht ein Gedicht, das im besonderen Maß von seinem Entstehungsmoment geprägt ist, und die Grenzen zwischen AutorInnenschaft und Publikum, menschlicher und maschineller Intelligenz, lustvoll und spielerisch verwischt.

LOUISE WALLENEIT

LOUISE WALLENEIT

bodycheck (2021)

Foyer hinten

Louise Walleneits empfindsame Skulptur bodycheck eröffnet den BesucherInnen überraschende Einblicke in andere, unbekannte Arten des Seins. Die spiegelnden, scheinbar undurchlässigen Wände ihrer Skulptur reagieren auf Berührung und Nähe, und beginnen zu atmen, wenn sie elektromagnetische Felder in ihrer Umgebung ausfindig machen. Die Wände nehmen auf, was sie umgibt, und geben durch vitale akustische Reflektionen wieder, wie sie ihre Umgebung wahrnehmen. Aber auch der benachbarte und der nicht sichtbare Umraum (sowie die darin existierenden Dinge und Personen) sind Teil der Arbeit bodycheck. Das Erleben der Resonanz des eigenen Selbst mit einem dinglichen Gegenüber stellt anthropozentrische Perspektiven auf den Kopf und verortet die BesucherInnen in einem hierarchiefreien Netzwerk aus sich gegenseitig bedingenden lebendigen und nicht-lebendigen AkteurInnen. Begegnung wird so zur ästhetischen Praxis und evoziert die Erfahrung des Miteinanderverbundenseins. Je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto mehr passen sich die Herzschläge von Skulptur und BesucherInnen einander an.

bodycheck wurde gefördert durch den Kreativfonds der Bauhaus-Universität Weimar und eine Gastspielförderung der Kulturstiftung Sachsen.

RIKE SCHEFFLER

RIKE SCHEFFLER

Lava. Ritual (2022)

Glasgang

In Rike Schefflers Surround-Sound- und Video-Installation Lava. Ritual schallen Gedichte einer spekulativen Zukunftsgemeinschaft als Echos zu uns in die Gegenwart. Wie im alten Kinderspiel der „Stillen Post“ werden hier Mythen und kulturelles Wissen in Form von Worten, Versen und akustischen Signalen mündlich, über Sprach- und Artengrenzen hinweg, von einem lebendigen Körper zum anderen übertragen und gespeichert. In Kollaboration mit dem Audiokünstler CROOK, der isländischen Fotografin Gunnlöð Jóna sowie den mit der Gaming Plattform „Unreal Engine“ geschaffenen Visuals der KünstlerIn Arna Beth entwirft Scheffler eine sinnlich-immersive, mögliche Welt tief im queeren, somatischen Dazwischen, wo jeder Lebensform mit Hochachtung begegnet wird. Ökosysteme, Biota und Abiota sind hier PartnerInnen, die auf Fragen antworten, welche wir als Menschen gerade erst zu stellen wagen. Lava. Ritual lädt die BesucherInnen ein, das Verhältnis von Zugehörigkeit und Zuhören für sich neu zu erkunden, durch Lauschen, Aneignen und Weitertragen der Verse Teil der Gedichträume und ihrer Gemeinschaft zu werden.

HIMALI SINGH SOIN & DAVID SOIN TAPPESER

HYLOZOIC/DESIRES (HIMALI SINGH SOIN & DAVID SOIN TAPPESER)

As Grand As What // So Grandios Wie Was (2019 — 2022)

Sesselclub

Die Video- und Sound-Installation As Grand As What des Performance-Duos Hylozoic/Desires thematisiert die Schlüsselrolle von Ritualen und ihren Symbolen in sozialen sowie in ökologischen Systemen. Ausgehend von Recherchen über alte Heilungsrituale der VorfahrInnen aus dem Himalaya und einem Mandala, das das buddhistische System des Kalachakra (Sanskrit: Rad der Zeit) visualisiert, entwirft die immersive Performance eine Neuinterpretation dieser mystischen Geometrie. Eingebettet in eine Dreikanal-Videoprojektion und ein Klangbad, entfaltet sich eine Geschichte über die Suche nach einer verlorenen kollektiven Lebenskraft (bla, qi oder prana). Ein Trommler ruft li, eine geistige Manifestation des menschlichen und nicht-menschlichen Bewusstseins, dazu auf, eine Reihe von Heilungsritualen durchzuführen und bla in unsere Körper und den Planeten zurückzurufen. Eine mit einem Palmblatt maskierte Figur begibt sich auf eine Reise der Erdung, Zirkulation und Regeneration, entsprechend den Chakren des Körpers, die ihrerseits die Elemente der Natur widerspiegeln. Die Figur fliegt zwischen den inneren und äußeren Rädern der Zeit hin und her, versucht, sich wieder mit der Anima der Erde zu verbinden, und uns dabei mit der Resonanz des Klangs und der Kraft des Wortes Liebe selbst zu heilen.